USA - EU: Zoll > Total-Kapitulation vom 27. Juli 2025
Zolleinigung: Jalta ohne Krieg
>> Gabor Steingart, The Pioneer, 28.07.2025 [jowi >>> Ende]
Für Trump ist es ein Deal, für Europa eine Kapitulationserklärung. Das Treffen des US-Präsidenten mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen im schottischen Turnberry Golf Club endete als Jalta ohne Krieg.
Im Unterschied zum historischen Original von 1945, bei dem die Siegermächte des Weltkrieges die Machtverteilung in Europa regelten, saß der Besiegte diesmal mit am Tisch. Doch das war nur fürs Protokoll. Europa hatte in der Sache nicht viel zu melden. Ehrerbietig war Ursula von der Leyen für das Gespräch in Trumps Golfresort geeilt, um entgegenzunehmen, was der „America First“-Präsident ihr zugedacht hatte.
Sie sprach von einer „Neugewichtung“ im transatlantischen Verhältnis und machte gute Miene zum bösen Spiel, als sie erklärte:
„Das war harte Arbeit, die wir leisten mussten. Aber vielen Dank auch für die Gespräche, die wir auf dem Weg zu unserem Ziel immer wieder geführt haben – jetzt haben wir es geschafft.“
Zwischenzeitlich hätte man gar meinen können, sie sei die Bauchrednerin des US-Präsidenten. In bester Trump-Manier sagte sie:
„Das ist ein großes Abkommen, ein riesiges Abkommen.“
Das ist es in der Tat – aber für ihn, nicht für sie. Hier die sieben wichtigsten Punkte, die Sie heute Morgen zu diesem Trade-Deal wissen müssen:
#1 Deutsche Automobilbranche zahlt künftig in den US-Haushalt
Für die europäische Automobilbranche bedeuten die 15 Prozent Zölle nur dann eine Verbesserung, wenn man sie mit dem seit April geltenden 27,5 Prozent Zollaufschlag vergleicht. Allein für Volkswagen summierten sich die Kosten für die neuen Zölle in den vergangenen vier Monaten auf 1,3 Milliarden Euro, wie der Konzern kürzlich mitteilte.
In Wahrheit bedeutet der neue Zoll aber eine enorme Verschlechterung gegenüber den seit Langem geltenden 2,5 Prozent Einfuhrzoll in die USA. Trump ist es damit gelungen, die deutsche Automobilwirtschaft zur Verteuerung ihrer Produkte oder zum Verzicht auf Rendite zu bewegen. In jedem Fall werden VW, Porsche, Audi, Opel, Mercedes, Smart und BMW künftig Milliarden an die US-Staatskasse abführen – nur damit sie den Marktzugang erhalten.
#2 Stahl und Aluminium verlieren ihre Wettbewerbsfähigkeit
Bei Stahl und Aluminium „bleibt alles so, wie es ist“, erklärte Trump gestern Abend. Das heißt: Die Zölle, die er Anfang Juni von 25 auf 50 Prozent verdoppelt hat, bleiben vorerst bestehen. Damit ist den US-Herstellern enorm geholfen. Die deutschen Anbieter verlieren durch diese staatlich administrierten Preise de facto ihren US-Markt.
#3 Arzneimittelhersteller und Halbleiterindustrie zittern weiter
Die Pharma- und die Halbleiterindustrie müssen weiter auf das Machtwort aus Washington warten: In zwei Wochen werden die Amerikaner bekanntgeben, zu welchem Schluss sie nach ihren Handelsuntersuchungen in diesen Sektoren gekommen sind. Heißt: Auf die Deutschen könnten auch mehr als die flächendeckenden 15 Prozent Zölle hinzukommen, je nach Laune des US-Präsidenten.
#4 Europa wird zum Zwangskunden der US-Energielieferanten
Zusätzlich zu den Zöllen hat Europa sich verpflichtet, in den kommenden Jahren Flüssigerdgas (LNG) im Wert von 750 Milliarden US-Dollar abzunehmen.
#5 Europa muss in den USA investieren
Europäische Unternehmen sollen im Laufe von Trumps zweiter Amtszeit rund 600 Milliarden Dollar in den USA investieren, und zwar zusätzlich zu den bisherigen Milliarden, die bei den Firmen in den Planungsunterlagen stehen.
#6 Europäische Rüstungsmilliarden fließen in die USA
Außerdem habe man zugesagt, die von der EU beschlossenen Milliarden für Verteidigungsausgaben auch in den Verkaufsräumen von Lockheed Martin, Northrop Grumman und Co. auszugeben. Für Trump selbstverständlich, wie er bei der anschließenden Pressekonferenz sagte:
„We make the best military equipment in the world, so you sort of have to do that.”
Die genaue Summe dieser Tributzahlung – für die Steuerzahler in Deutschland und anderswo aufkommen – steht noch nicht fest, wird aber laut Trump „Hunderte Milliarden“ betragen.
#7 Europa geht leer aus
Die EU bleibt für die Amerikaner eine Null-Zoll-Zone. Die Karte, die sich die Europäer in den Verhandlungen als Trumpf vorbehalten hatten – Zölle auf US-Waren wie Motorräder, Whiskey und Zitrusfrüchte sowie Strafmaßnahmen gegen Google und Co. – hat von der Leyen nicht gespielt. Seine Dreistheit wird durch ihre Nachgiebigkeit erwidert.
Zweimal wiederholte Trump, wie froh er über diese europäische Unterwürfigkeit sei:
„Sie öffnen ihre Länder für den Handel ohne Zölle. Das ist ein sehr wichtiger Faktor.“
Fazit: Erpressung funktioniert. Die Art und Weise, wie der US-Präsident uns seine Energielieferungen aufdrängt und uns zu Rüstungseinkäufen in den Shopping-Malls von Lockheed Martin und Co. zwingt, sucht seinesgleichen. So behandelt man nicht seine Freunde – Bush Senior: „We are partners in leadership“ – sondern seine Kolonien. Diese Zölle sind in Wahrheit Tributzahlungen an Trump.
Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft Prof. Moritz Schularick bilanziert auf X: „Die kurzfristigen ökonomischen Kosten des Deals mit Trump sind für Deutschland und die EU beherrschbar, aber es gibt keinen Grund zum Jubeln über dieses handelspolitische Appeasement.“
Prof. Clemens Fuest vom Ifo-Institut: "Der asymmetrische Handels-Deal ist eine Demütigung für die EU, aber sie reflektiert die realen Machtverhältnisse."
Financial Times: “EU’s capitulation to Trump.”
Bundeskanzler Friedrich Merz: „Es ist gut, dass Europa und die USA sich geeinigt haben und so eine unnötige Eskalation in den transatlantischen Handelsbeziehungen vermeiden.“ <<
jowi:
> Diese Zölle sind in Wahrheit KEINE Tributzahlungen an D. TRUMP, SONDERN an die USA, wie es sich resp. J.D.Vance für #Protektorate oder #Vorfeld-Organisationen gehört.
> DieMehrheit hat es verstanden, nur die Bundesdeutsche Regierung nicht. Warum nur? Ist das Großkapital nicht mehr groß genug, um seine Interessen durch den Staat vertreten und durchsetzen zu lassen (mit Ausnahme der Rüstungsunternehmen, die mit der US-Industrie mitverdient – aus gleicher Quelle)?
> Nichts macht deutlicher, dass die eigentliche Zeitenwende 1990ff. verschlafen wurde, als man sich zielführend hätte aus der #Vorfeld-Umklammerung lösen müssen. So ist sie heute noch stärker, als 1990 und als die Beschränkungen durch Versailles nach Ende des WK I. – allemal. Europa wird auf absehbare Zeit weltpolitisch weiter eine marginale, irrlichternde Rolle spielen.
> Die arrogante Stigmatisierung eines US-Präsidenten als erratischem Vollidioten mag dem neoliberalen Wohlbefinden guttun, den Interessen der Europäischen Völker ist es mehr als abträglich und ist intellektuell einfach dumm.
> Es bleibt abzuwarten, ob + wie die EU-Länder den #deal ratifizieren.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen